Das Singen der Schafe, Teil 2
Seid gegrüsst von der Grünen Insel, wie versprochen folgt hier der zweite Teil meiner Geschichte: „Das Singen der Schafe.“ Wer den ersten Teil verpasst hat, findet gleich rechts oben den Link dazu. Ich wünsche viel Vergnügen.
In dieser Nacht war mein Schlaf unruhig, nicht etwa des Wetters wegen, der Wind säuselte nur leise ums Haus, auch hielten sich die Nebengeräusche der Schlafenden in Grenzen. Nach dem vergangenen warmen Tag kühlte es in der Nacht nur wenig ab, wir liessen die Türe zur Terrasse hin offen, so konnte ich dem Gesang der Schafe lauschen und in die schwarzen Felsen schauen. Mein Schlaf war eine Mischung aus Wachen und Schlafen, gegen sieben Uhr morgens stand ich auf und setzte mich auf die Mauer der Terrasse. Der Morgen war still, das Haus noch ruhig, allmählich erschienen die ersten Gäste die den Frühstücksraum aufsuchten und sich kurz danach mit Wanderschuhen und Rucksack bepackt auf den Weg machten. Der Berg stand majestätisch unter dem graublauen Himmel und die Spitzen leuchteten in der Morgensonne, in den dichten grünen Hecken flatterten und sangen die Vögel.
Meine Aufmerksamkeit galt allerdings den Schafen, ihr Gesang wurde leiser je länger die Nacht gedauert hatte, ich hoffte auf ein Morgenkonzert von ihnen, das jedoch nur zaghaft begann, eine Stimme hier, eine andere da. Plötzlich wurde es sehr laut, die ganze Schafherde stimmte in den Chor ein, ich bemerkte auch sofort warum. Der Schäfer kam die Strasse entlang, er ging mit schnellem aufrechtem Gang. Er war gross gewachsen, lichtes zerzaustes Haar wehte auf seinem Kopf, sein Gesicht war markant und er strahlte Sicherheit und Bodenständigkeit aus. Ich schätzte ihn um die Fünfzig, ein durchaus attraktiver Mann. Er trug einen verwaschenen dunkelblauen Wollpullover, seine Füsse steckten in Gummistiefel die ihm bis an die Knie reichten. In seiner rechten Hand hielt er einen langen Stock, drei Schafhunde rannten ihm voraus, aufgeregt und ungeduldig tänzelten und wedelten sie dem Schäfer um die Beine. Dann bogen sie um die Ecke in Richtung Weide und entschwanden durch die hohen Bäume meinem Blick.
Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg ins Dorf das nur wenige Gehminuten entfernt war. Die ersten Busse kamen angefahren, hielten auf dem grossen Parkplatz, Touristen stiegen aus, streckten sich, nahmen ihre Kameras und Handys aus den Taschen und knipsten Fotos die sofort in die Welt gesendet wurden. Wir gingen an den Strand und ich hoffte dass ich einige Fundstücke entdecken würde für unseren Cottage Garten. Der Fluss der von den Hügeln in Richtung Tal und in den Fjord floss plätscherte leise und ein warmer Wind wehte uns um die Ohren. Erstaunlicherweise verirrte sich an diesem Morgen niemand sonst an die kleine Beach. Die Busse wollten weiterfahren, um diese Zeit ist noch keiner am Ziel, da reichte es grad für einen Kaffee im Fjord- Cafe, ein paar Schnappschüsse und vielleicht ein Souvenir aus dem Shop der in einem lieblichen Cottage untergebracht ist.
Trotz der vielen Menschen und dem Stimmen- und Sprachengewirr wirkte die Atmosphäre heiter und entspannt, und meine Enkelin fragte mich, „spricht denn hier überhaupt jemand richtig englisch“? Eine waschechte Irin lernten wir dann doch kennen. Im Cottage Laden wo es Pullover, Schals und Decken aus Schafwolle zu kaufen gab, wunderschöne Krüge, Töpfe und Tassen aus Ton, Kunst und Handwerk, keltischen Schmuck und Seifen, jede Menge herrlicher Seifen. Die Irin die den Laden führte hatte ein herbes Gesicht, ihre Haut war trocken, der raue Wind und die heisse Sonne muss die Feuchtigkeit aus ihren Poren gesaugt haben. Sie trug kein Make Up, ihre Augen waren von einem tiefen Blau und die langen aschblonden Haare die ihr über die Schultern fielen hätten durchaus einen kräftigen Kamm vertragen. Ich fand diese Frau sehr schön, eine Naturschönheit eben, mein Mann der sofort ins Gespräch kam mit ihr meinte sie sei etwas gar wild. Bereitwillig erzählte die schöne wilde Irin, dass sie aus dem Nachbar County (Kanton) Mayo kommt, dort geboren wurde, ihre Kinder- und Jugendzeit verbrachte und dann nach Leenane kam wo sie seit dreissig Jahren den Souvenir Laden führt. Ich mochte ihre Offenheit und ihr freundliches Wesen, sie strahlte diese Gelassenheit aus die so vielen Iren eigen ist. Ich kaufte einen luftig leichten Schal in dezenten Farben, auch einige grosse Seifenstücke, die handgemacht und nach Meeresbrise, grünen Hügeln und irischem Sommer dufteten.
Für den Nachmittag hatten wir geplant das märchenhaft schöne Schloss zu besuchen das ein Mann für seine geliebte Frau bauen liess. Dieser Mann hiess Mitchell Henry, er war Engländer und der Grundstein zum Bau des Schlosses wurde um Jahre 1867 gelegt. Zweifellos besass Mr. Henry riesige Summen an Geld, doch sagt die Geschichte dass der Antrieb zum Bau des Märchenschlosses seiner grossen Liebe und Bewunderung für seine Frau Margaret zu verdanken sei. Den Beiden wurden neun Kinder geschenkt, Margaret Mitchell war eine Frau mit gütigem Herzen und bei der einfachen Landbevölkerung von Connemara sehr beliebt. Leider währte das Glück nicht lange, nur einige Jahre nachdem das Schloss fertig gebaut war, starb Margaret. Das Ehepaar Henry war auf einer Reise durch Ägypten als Margaret ernsthaft erkrankte und nach einigen Tagen starb. Ihr Leichnam wurde zurück nach Connemara gebracht und hier zur letzten Ruhe gebettet, in einer eigens für sie erbauten Gotischen Kapelle, ein erstaunliches architektonisches Kunstwerk das in der Nähe des Schlosses am See liegt.
Die Kylemore Abbey, so heisst das Schloss, ist bestimmt eine der schönsten und meistbesuchten Sehenswürdigkeiten auf der Grünen Insel, sie wurde im Jahre 1920 von den Schwestern des ältesten Ordens von Irland übernommen, den Benediktinerinnen. Von Leenane sind es ungefähr 16 Km bis zur Abbey. Die Fahrt führte uns durch eine wilde und romantische Gegend, gesäumt von Hügeln und Torf Feldern, und bewohnt von Schafen denen das Land und selbst die Strasse gehört. Viele Schafe grasen am Strassenrand, ignorieren die schnellen und motorisierten Vehikel, und überqueren fast demonstrativ die Strassen ohne mit der Wimper zu zucken. Schafe haben Vortritt, das ist auch im heutigen Irland noch so. Wir verbrachten ein paar sehr spannende und eindrückliche Stunden an diesem Ort, fast hatte ich befürchtet, die Mädchen würden eine Schloss Besichtigung langweilig finden. Weit gefehlt, sie waren neugierig und sehr beeindruckt. Ein echtes Märchenschloss bekommen sie nicht jeden Tag zu sehen.
Am frühen Abend waren wir wieder zurück im Dorf am Ende des Fjords. -Hier eine Anmerkung, ich habe gegoogelt wie sich ein Fjord einfach erklären lässt: Ein Fjord ist ein Meeres Arm, meist von Bergen oder Hügeln umgeben, er reicht weit ins Landesinnere hinein, er sieht aus wie ein Fluss ist aber tatsächlich das Meer.
Wir gingen direkt ins Pub und assen Muscheln, Fish & Chips, dazu genoss ich ein kühles schwarzes Bier. Lange sassen wir draussen auf den Holzbänken vor dem Pub, eine andächtige Ruhe hatte sich über den Ort gelegt, um diese Zeit würden keine Busse mehr durchfahren, Menschen schlenderten entspannt umher, Kinder lachten und ihre Eltern freuten sich mit ihnen, ab und zu hielt ein Auto, letzte Einkäufe im kleinen Lebensmittel Geschäft getätigt, Paare sassen gemütlich zusammen, prosteten sich zu und schauten sich dabei liebevoll in die Augen. Ein alter Mann, den ich schon einige Male gesehen hatte, sass auf der Bank direkt beim Eingang zum Pub, hier hatte er den Überblick, wer hinein ging und wer hinaus kam, immer in der Hoffnung auf ein paar Worte, „where do you come from“, woher kommst du, das wollte er auch von uns wissen. Hier im kleinen Dorf am Fjord in Irland trifft sich die halbe Welt. Ich vermute der alte Ire, mit rundem Bauch unter dem fleckigen Pullover, ist nie aus diesem Ort herausgekommen. Warum sollte er auch, die Welt kommt zu ihm. Er holte sich ein weiteres Pint of Guinness von der Bar, das er sichtlich genoss und der weisse Schaum blieb ihm am stoppeligen Kinn kleben. Irgendwann stand er auf, nahm den durchsichtigen Beutel in dem ein rundes Brot steckte, und machte sich langsam und mit kurzen Schritten auf den Heimweg. Zu gerne möchte ich wissen, wo, und vor allem wie er wohnt.
Es dunkelte bereits, wir waren müde, das nahrhafte Essen und das Guinness verlangten nach etwas Bewegung. Etwa zwei Km ausserhalb von Leenane liegt der Friedhof den wir noch aufsuchen wollten bevor wir in unser B&B zurück gingen. Wer schon in Irland war, weiss sicher dass es hier viele alte Friedhöfe gibt, auf der Grünen Insel hat es genug Platz für die Lebenden und die Toten. Ich habe schon Gräber gesehen die weit über hundert Jahre alt sind. Diese Ruhestätten umweht ein Hauch aus Ewigkeit und süssem Frieden, so auch der Friedhof am Fjord. Er liegt an einem Hang, umgeben von dunkelgrünen felsigen Hügeln. Der Ausblick hier ist voller Magie und tiefer Schönheit, das samtblaue Wasser lässt das weit offene Meer dahinter nur erahnen.
Meine Lieben, ich hoffe Ihr konntet den Ausflug auf „meine Grüne Insel “ geniessen, es gibt noch einen dritten Teil. Wer mag, in einer Woche, ich würde mich freuen. Herzliche Cottage Grüsse
Gertrud Carey